Samstag, 13. Juli 2013

Weshalb Kundenbestrafung für Sexarbeiterinnen schädlich ist.

In Diskussionen um die Kriminalisierung des Kaufs sexueller Dienstleistungen wird oft eingewendet, dass Sexarbeiterinnen (denn um männliche geht es so gut wie nie)  dadurch weniger Schutz haben und weiter "in den Untergrund" getrieben werden. Vielen Befürwortern solcher Regelungen scheint nicht klar zu sein was damit gemeint ist, deshalb möchte ich hier näher darauf eingehen.

Wenn man annimmt dass die Polizei das Verbot tatsächlich durchsetzen will, wird sie versuchen möglichst viele Kunden zu erwischen. Dies geht natürlich am einfachsten, indem man Sexarbeiterinnen ausfindig macht und sie regelmässig bei ihrer Arbeit stört. Sexarbeiterinnen sind auf ihr Einkommen angewiesen. Wenn nun eine Sexarbeiterin vergewaltigt oder sonst wie von Kunden misshandelt wird, wird sie es ich gut überlegen zur Polizei zu gehen,
denn dann gerät sie auf den Radar der Sittenpolizei. Sie muss in erster Linie um ihr Einkommen und ihre Ruhe fürchten, aber auch um ihre Kinder, denn die Jugendschutzbehörden Schwedens sehen gar nicht gerne sexarbeitende Mütter. Auch ihr Partner steht unter dem Verdacht ein Zuhälter zu sein. Vielleicht wird sie sogar auf die Strasse gestellt, denn eine Sexarbeiterin zu beherbergen kann u.U. als Zuhälterei gelten.

Die halbe Kriminalisierung stigmatisiert auch die "straflose" Anbieterin, oder zumindest wird die ent-stigmatisierung weitgehend verhindert. Sexarbeiterinnen werden weiterhin wie Kriminelle behandelt, auch wenn sie nicht mit Gefängnis oder Busse bedroht sind.

Hier ein Beispiel dafür wie Sexarbeiterinnen in Schweden behandelt werden, mit einem besonders traurigen Ausgang:

"Our board member, fierce activist and friend Petite Jasmine got brutually murdered yesterday (11 July 2013). Several years ago she lost custody of her children as she was considered to be an unfit parent due to being a sex worker. The children were placed with their father regardless of him being abusive towards Jasmine. They told her she didn't know what was good for her and that she was "romantisizing" prostitution, they said she lacked insight and didn't realise sex work was a form of self-harm. He threatened and stalked her on numerous occations, she was never offered any protection. She fought the system through four trials and had finally started seeing her children again. Yesterday the father of her children killed her. She always said "Even if I can't get my kids back I will make sure this never happens to any other sex worker". We will continue her fight. Justice for Jasmine!" (Meldung der Sexworker-Vereinigung Rose Alliance)
 
 
"Those opposed to sex work have constructed a narrative that only allows sex workers to parrot theory, be good little puppets who trot out the party line like defendants at a Stalin era Russianshow trial and then the doors of rape crisis centers, domestic refuges and conferences open wide to you. Dare to say no, I have choices and I choose sex work, but this bad thing happened to me because bad things can happen to anyone and you are “romantacising sex work”
 
 
Dies ist gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie "unperfekten Opfern" kein Schutz gewährt wird. Um geschützt zu werden, muss man eine reuige Sünderin sein- nur diesmal uminterpretiert in ein reuiges Opfer.
 
Weiterhin sind Sexarbeiterinnen massiver Belästigung durch Polizisten ausgesetzt. Hier ein früher schonmal verlinkter Artikel, nach dem eine Sexarbeiterin in Schweden von ihrer Schule verbannt wurde, weil sie zu ihrer Arbeit stand. Maggie McNeills Kommentar dazu:
 
"Swedish “feminists” pretend to care so very much for sex workers that they’re willing to destroy our lives to “save” us from imaginary “degradation”; selling sex is not illegal, but if a sex worker dares to speak openly about her choice she will be punished in many ways other than imprisonment, such as by expulsion, eviction, police harassment and more."

Nachtrag vom 16.7.2013: Noch ein wichtiger Punkt den ich vergessen habe ist, dass die Kundenkriminalisierung meistens mit einem Bordellverbot einhergeht- d.h. mehr als eine arbeitende Frau pro Wohnung ist für die Mieterin strafbar. Eine Sexarbeiterin kann als "Zuhälterin" bestraft werden, falls sie ihre Arbeitswohnung an Kolleginnen untervermietet. Dies verhindert, dass Sexarbeiterinnen sich zusammentun, um gemeinsam sicherer und mit weniger Fixkosten arbeiten zu können.


Hier ein Interview mit der schwedischen Sexarbeiterin Pye Jacobsson zur Einstellung der Behörden gegenüber Sexarbeiterinnen: We want to save you! And if you don't appreciate it, we will punish you.

Bericht einer finnischen Sexarbeiterin, wie sie bei ihrer Geschäftsreise in Norwegen (wo auch Freierbestrafung herrscht) behandelt wurde: http://www.sexwork.net/forum/showthread.php?t=117523

Feminist Ire dazu:

Prohibitionist campaigners…portray Sweden’s stance on sex work as progressive, and assert that sex workers themselves are not targeted (…) They’re painted as victims to be pitied and rescued (…) but as with religion-cloaked homophobia, this distinction makes little difference to those on the receiving end (…) Police stake out sex workers’ homes and workplaces, clandestinely film them, and subject them to invasive searches.  Sex workers are often forced to testify in court, but have the rights of neither victim nor accused.

Kritikpunkte von Soziologin Laura Augustin zur staatlichen Evaluation der Kundenbestrafung in Schweden, welche schwerwiegende methodologische Fehler aufweist (es standen z.B. gar keine Daten zur Verfügung, um einen wirklichen Vergleich zwischen der Situation vor- und nach der Einführung vorzunehmen)  und das Gesetz trotzdem als einen "Erfolg" wertet.

Weitere Auswirkung von Kundenbestrafung, vom Center for Human Rights and Humanitarian Law:

"Sex workers report that criminalization of clients in Sweden has reinforced and increased the social
stigma about prostitution (Skarhed 2010, 34; Dodillet and Östergren 2011, 21). (...)
The Report (Anm.: Evaluierung der Kundenbestrafung durch den Staat) declares that the negative effects of stigma due to the law "must be viewed as positive from the perspective that the purpose of the law is indeed to combat prostitution" (Skarhed 2010, 34, emphasis supplied). In other words, the many harms of social stigma are, in fact, a positive outcome of the law because stigma may push women into other forms of work.

Nach der Logik der schwedischen Behörden ist also alles, was Sexarbeiterinnen Leid zufügt, "positiv" zu bewerten.

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